Sonntag, Juni 08, 2014

Film noirs in Kürze: Hollow Triumph

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr die schwarze Serie der 40er Jahre die Regisseure des New Hollywood beeinflusste. Natürlich: Bestimmte Themen und Motive sind erzählerisch besonders reizvoll und werden deshalb gerne recycelt. Aber wer die letzten fünf Minuten von Hollow Triumph (UK-Titel: The Scar) sieht, fühlt sich unweigerlich an De Palmas Finale von Carlito's Way erinnert. Während Carlito Brigante alias Al Pacino in einer langen Fluchtsequenz zum D-Zug ins neue Leben allerlei Gangster umnietet und letztlich doch scheitert, so segnet sein 1948er-Alter-Ego beim Versuch den Passagierdampfer ins neue Leben zu erreichen das Zeitliche. Ohnehin wäre es ertragreich, diese zwei Filme einmal genauer auf Gemeinsamkeiten abzuklopfen. Ähnlich wie Carlito wird nämlich auch der studierte Held von Hollow Triumph, John Muller (Paul Henreid), zu Beginn des Films aus dem Knast entlassen. Im Gegensatz zu Carlito will Muller allerdings ganz schnell ein großes Ding drehen. Er zwingt seine alten Partner geradezu, einen Überfall auf ein Casino durchzuführen, der dann freilich nicht so läuft wie geplant. Muller setzt sich anschließend ab, nimmt eine neue Identität an, rechnet aber permanent damit, von Gangstern enttarnt zu werden. Ein typischer Motiv-Cocktail à la noir: Doppelgänger, eine dunkle Vergangenheit, Psychoanalyse, ein Schicksal, dem man nicht entkommen kann ... und als besonderes Bonbon John Alton als Kameramann mit sicherem Gespür für zauberhafte Spiele mit wenig Licht und viel Schatten. Die musikalische Begleitung ist bedauerlicherweise eine ziemliche Klangsoße, die innerhalb von dreißig Sekunden gerne mal zwischen Stille, Romanze und Spannung wechselt, was selbst der Generation youtube zu unsensibel erscheinen dürfte. Insgesamt zählt Hollow Triumph aber eindeutig zur oberen Liga der Noirs, was nicht zuletzt an der Überfülle fabelhafter Regie-Einfälle liegt.
69 Punkte.

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